
Sobald Online-Publisher „Paid-Content“ als Geschäftsmodell für sich entdecken, stellt sich die Frage, wie die Bezahlschranke genau aussehen soll? Schließlich möchte man seine Leser nicht vergraulen und Einbrüche in den Page-Impressions erleben. Das wiederum hätte starke Auswirkungen auf die Anzahl der Werbe-Ausspielungen und somit Anzeigen-Umsätze.
Webseiten-Betreibern stehen hier diverse Paid-Modell-Ansätze zur Verfügung. Ob die gedruckte Zeitung als ePaper, eine harte Paywall für alle online Inhalte, bezahlen erst nach Nutzung wie bei laterpay oder das Metered-Model…, es stehen diverse Möglichkeiten und Kombinationen im Raum.
Über die letzten zehn Jahre wurde einiges ausprobiert und es kristallisieren sich tendenziell bestimmte Erfolgsmodelle heraus. Anhand der Sueddeutschen mit ihrem SZ-Plus Abo-Angebot und dem Handelsblatt Online-Abo möchte ich aufzeigen, wie es funktionieren kann. Wohl wissend, dass sich diese Plattformen stets weiterentwickeln. Angemerkt sein auch, dass jeder Publisher anders ist. Aber man kann sich immer von den Erfolgreichen etwas abschauen.
Das Setup der Sueddeutschen für Plus
Der Prozess und Aufbau sollte im Übrigen dem von Spiegel.de sehr ähnlich sein. Stefan Plöchinger, der das Abo-Geschäft maßgeblich bei der SZ mit aufgebaut hat, wurde ersichtlich vom Spiegel abgeworben, genau die Erfolgsrezepte dort zu adaptieren.
Folgendes Setup nun kennzeichnet den Abo-Funnel, um neue SZ-Plus Abonnenten zu gewinnen:
- immer kostenfreie (News-)Artikel
- optional kostenfreie Artikel – im Metered-Model mit dem Wert ca. 10
- immer Plus-Bezahl-Artikel
Soweit ich es einschätze, ist die SZ-Redaktion dazu angehalten, jeden redaktionellen Artikel nach dieser Kategorisierung zu kennzeichnen. Und zwar mit einem Wert, beispielsweise 1-3.
Ein News-Beitrag würde so mit einer „1“ im CMS geflagged. Gerade wenn es die „schnellen Inhalte“ z.B. DPA-News an vielen anderen Stellen auch zu lesen gibt, macht es wenig Sinn, für diese geringe journalistische Qualität Geld zu verlangen. Dies kann Leser verschrecken und der Publisher verliert womöglich Page-Impressions, die für Werbe-Buchungen und -Umsätze essentiell sind.
Daneben gibt es Artikel mit der Markierung „2“, die optional kostenfrei sind, selbst wenn eine höhere redaktionelle Leistung dahinter steht. Dies ist für einen Anbieter wie die Sueddeutsche sehr wichtig, weil sie sich als General-Interest-Publisher für Noch-nicht-Abonnenten als Qualitäts-Medium positionieren muss. Die Taktik hier ist, dem Leser eine begrenzte Anzahl von Artikeln kostenfrei ohne Paywall zur Verfügung zu stellen. Und zwar innerhalb eines bestimmten Zeitraums, Standard ist ein Monat. Bei der SZ liegt der metered Wert bei ca. 10. D.h. ein Leser kann 10 Artikel der Kategorie „2“ komplett und frei lesen, bevor auch diese mit „2“-markierten alle nur noch mit einem Plus-Abo zugänglich sind. Ein derartiger Artikel wird so über die Zeit und je Leser als Level-3-Artikel hochgestuft.
Ein Artikel der Stufe „3“ ist immer ein Paid-Content. Hierunter fallen hochwertige, recherchierte Informationen, Daten-journalistische Inhalte und Geschichten. Diese sind niemals der Kategorie 2 zugeordnet. Meist sind diese Plus-Texte länger. Bei der SZ sind die Artikel immer „anlesbar“. D.h. nach wenigen Absätzen verdeckt die Paywall den weiteren Text.

Optimierung der Abo-Abschlüsse
Ein Anlesen des Textes, um den Inhalt und Stil des Redakteurs kennenzulernen, würde ich immer empfehlen. Die SZ hat augenscheinlich vor Kurzem die Anzahl der frei zu lesenden Absätze verkürzt, bevor die Paywall anschlägt.
Dies ist ein Beispiel, wie Publisher die Umsätze optimieren können. Es gibt diverse Spielräume, die eigenen Leser zu testen, wie viel man ihnen zu lesen gibt, um die Conversion-Rate für Abos zu steigern. A/B-Tests sind hier wichtige Methoden für die verantwortlichen Produkt-Manager.
Gleiches gilt für Tests zum Metered-Wert. Dieser ist ständig zu überprüfen. Die SZ spielt vermutlich mit bestimmten Varianten, z.B. auf 8 herunter zu gehen. Immer behutsam, man will ja wie erwähnt die Reichweite der Webseite nicht zu sehr strapazieren.
Wenngleich Traffic von Nicht-Abo-Kunden in Zeiten Corona weniger wichtig geworden ist. Einerseits, weil eh viel Nachfrage nach Informationen besteht und die Seitenaufrufe explodieren. Andererseits und viel essentieller, die Reichweite ist für Werbung kaum nutzbar. Die Anzeigen-Buchungen sind um 70-90% eingebrochen. Daher können sich Plus-Publisher gerade jetzt in der Corona-Krise ohne Gefahr auf das Paid-Content-Modell stürzen und die Vorbehalten in Bezug auf das Anzeigen-Geschäft zur Seite schieben. Die meisten etablierten Webseiten versuchen aus der Situation Kapital für neue Abonnenten zu schlagen, was ein valides marktwirtschaftliches Mittel ist und diejenigen belohnt, die schon früher auf Paid-Content gesetzt haben. Siehe dazu beispielsweise die (Corona-)Aktion von FAZ+, redaktionell begleitet von Carsten Knop in seinem Beitrag „Warum wir F+ für Sie günstiger machen“.
Wie sieht es beim Handelsblatt aus?
Beim Handelsblatt ist der Metered-Model-Wert aktuell bei 2. Der Verlag hat als einer der ersten mit Paid-Content-Artikeln gestartet und konnte so für seine Leserschaft die Parametrierung testen und über die Jahre optimieren.

Nur am Rande: Dieser frühe Start und Know-how-Vorsprung ist vermutlich auch der Grund, warum das Handelsblatt Digital-Abo (noch!) nicht „Handelsblatt Plus“ heißt. Es ist bekanntlich für „first mover“ oft schwierig sich an die Markt-Konvergenzen anzupassen, die sich aus der Anhäufung der erfolgreichen Spätzünder ergeben.
Die Professionalität bei Handelsblatt ist auch daran erkennbar, dass sie alle Möglichkeiten nutzen, die Leser in weitere Artikel zu verlinken. Ob über individuelle Newsletter-Angebote, dem Follow-Tag-System mit dem man sich als registrierter Nutzer nur die Artikel anzeigen lassen kann, für die man sich einträgt, und vor allem die vielen inText-Links in den Artikeln, welche die Redaktion manuell setzt – wie im Screenshot oben zu erkennen.
Dass dies auch automatisch und in weit skalierbarer Weise geht, um die Reichweite in die Paywalls massiv zu steigern, ist auch der Ansatz mit kontextR PLUS+.
Fazit zum Metered-Model
Aus meiner Sicht ist die Metered-Paywall für viele Publisher eine schöne Möglichkeit, sich sachte an die imaginäre Schwelle heranzutasten, an der der Content kostenpflichtig sein soll. Das kann soweit gehen, dass ein Verlag merkt, dass er überall eine harte Paywall einführt. Somit gäbe es dann nur noch Plus-Artikel. Eben weil man von kostenfreien Artikel schrittweise den Metered-Wert heruntergesetzt hat, bis es sich auf irgendeine Weise negativ ausgewirkt hat oder eben nicht.
Grundsätzlich korreliert der Metered-Wert proportional zum Brand eines Publishers, seiner Markt-Stellung und damit dem Preis für ein Plus-Abo.
Special-Interest Portale werden hier tendenziell geringere Metered-Werte aufweisen, wie General-Interest-Seiten.
Probleme mit dem Modell
Zum Schluss sei noch angemerkt, dass das Metered-Modell mit Cookies funktioniert. Selbst wenn 1st Party Cookies weniger kritisch sind in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit – siehe hierzu auch den Beitrag „Warum Publisher keine Online-Anzeigen mehr verkaufen...“. so können User in ihren Browsen immer granularer einstellen, ob sie auch diese Form der Nutzer-Datensammlung akzeptieren. Falls nicht, können diese User schwer getracked werden.
Ein Haken am Metered-Modell kann auch der inPrivate- bzw. InKognito-Mode diverser Browser sein. Damit kann theoretisch der Metered-Wert vom Leser ins Unendliche verschoben werden. Das ist technisch teilweise lösbar und aus meiner Sicht (noch) kein gravierendes Problem oder Grund das Modell nicht zu testen. Denn die meisten Leser kennen derartige technischen Feinheiten nicht. Nur so erklärt sich im Übrigen auch die relativ geringe Ad-Blocker-Rate von 20-25%. Gering, weil User, die sich auskennen nahezu alle die Werbung blocken. So erklärt sich die Ad-Blocker-Rate auf Game-Portalen von über 80%. Die Kids checken es eben!
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