Contextual Targeting gegen den unvermeidlichen Cookie-Tod im Jahr 2022
Anmerkung: dieser Artikel über den Cookie-Tod und der Alternativedazu mit Kontext-Targeting bzw. -Marketing ist wohl der letzte Blog-Beitrag von kontextR! Die Gründe sind unten beschrieben.
Hektische Betriebsamkeit im Haus. Wie immer hat man abgewartet, es wird nicht so schlimm werden. Ist es doch! Fast alle wichtigen Projekte, die künftig Geld verdienen sollen – gestoppt! Anwälte, kaum zu erreichen, weil ausgebucht. Das Damokles-Schwert bedrohlich über allem schwebend, der Verlag könne die Existenz verlieren, wenn nicht fristgerecht Lösungen gefunden werden. Die Deadline, der 25. Mai 2018! Den letzten beißen die Hunde! DSGVO…
Der Niedergang des Verlagsgeschäfts lähmt zusätzlich
Ich kann mich erinnern, dass Experten auf diversen Publisher-Summits der Verbände schon Jahre vorher vor DSGVO bzw. GDPR gewarnt hatten. Dort wurde intensiv die rechtzeitige Beschäftigung mit dem Thema angemahnt.
Die wenigsten Verlage hatten ein Ohr dafür. Das resultiert meines Erachtens daher, dass Verantwortliche in einem Markt, der über Jahrzehnte unter Druck steht, selbst kaum einen Kopf und auch nicht die Zeit haben, sich um die Zukunft zu kümmern. Und selten Geld für Investments außerhalb des Kerngeschäfts. Man kauft dann eben nur neue Webseiten hinzu. Anders als bei wachstumsstarken Branchen mit integrierter Innovations-DNA.
Und wenn alle anderen Verlagskollegen das gleiche Problem haben, fühlt es sich auch nicht so erschreckend und bedrohlich an. Das individuelle Management-Versagen geht dann in einigen Jahren in einem Bulk des allgemeinen Niedergangs unter. Fingerpointing wäre dann fast schon herzlos, wo doch alle anderen ebenso gepennt haben. Unschuld durch die allgemeine Ohnmacht also.
Cookies zum Datensammeln
Bislang ging die Online Werbe- und Verlags-Industrie davon aus, dass politische Eingriffe in ihr Geschäft das Leben schwerer machen werden. Mit viel EU-Lobby wird versucht, diverse Regularien zu entschärfen. Ob DSGVO, Consent oder ePrivacy. Teilweise mit Erfolg. Es ist ja „nur“ politisch. D.h. es besteht die Chance der Einflussnahme. Schließlich sind die Medien als vierte Macht im Staat selbstbewusst und haben Einfluss auf die Karriere von Politikern.
Bei HTTP-Cookies stellt sich der Sachverhalt anders da. Die Browser-Hersteller sind die Gatekeeper.
Browser-Cookies, diese kleinen unscheinbaren HTTP-Bausteine, wurden von der Werbe-Industrie zum Marshmallow aufgeblasen.
Bei der Anwendung von Cookies handelt sich um das Sammeln unwichtiger bis sehr persönlicher Daten. Diese werden vom Webseiten-Betreiber oder Drittanbieter über den Besucher einer Webseite erhoben und an anderer Stelle oft illegal verwendet. Es gibt diverse Abstufungen, welche Cookies was tun (dürfen).
Festzustellen ist, nur mit Cookies kann effektiv nachvollzogen werden, welcher User was, wie, wann, wo auf einer Webseite oder -Applikation gemacht hat. Andere Ansätze des Zielgruppen-Matchings zu Anzeigen waren bisher nicht überzeugend oder rechtlich bedenklich.
Google dreht den Hahn ab – die User freut´s
Selbstredend sind persönliche Daten im Zuge der Datensammel-Wut diverser Plattformen und durch die Sensibilisierung breiter Bevölkerungsteile zum Politikum avanciert. Die neuartige Nutzbarkeit der Daten, diese durch Künstliche Intelligenz zu wertvollen Informations-Vorteilen zu veredeln, verschärft die Kritik.
Und was macht ein Monopolist oder Oligopol-Kartell, wenn eine Regulierung durch die Politik eindeutig nicht abzuwenden ist? Wenn der Handlungsspielraum jedes Jahr enger wird, wo man seinen Aktionären „double-digit-growth“ versprochen hat…? Dann, ja dann wird das Problem entsorgt! Im vorauseilendem Gehorsam. Denn die Schlacht darf verloren gehen, aber nicht…
Darüber zu lamentieren ist müßig. Macht will an der Macht bleiben. Und im Netz hat vor allem Google das Sagen. Der erste Schock kam für viele Webseiten-Betreiber 2019, als Google die Publisher zwang, diverse Flags auf ihren Seiten zu setzen. Nur so kann Goolges Chrome-Browser die Seite überhaupt adäquat mit Werbung bespielen, also indem Cookies „gemachted“ werden. Sonst fallen eben alle Chrome-User aus für Anzeigen-Umsätze.
Dies hatte zur Folge, dass mancher aufgewacht ist und verstanden hat, dass der Cookie-Tod mit einem Warnschuss eingeleitet wurde. Der Schuss kam aber überraschend von der anderen, kommerziellen Seite. Nicht wie fälschlicherweise erwartet von der Politik. Und Google schob gleich die Message hinterher, „vergesst Cookies, die sind ein Auslaufmodell“.

2022 ist es soweit! Nicht nur der Firefox-Browser, der bekannt ist für seine User-freundliche Datenschutz-Prinzipien, sondern dann auch Chrome mit bald 80% Markanteil wird Cookies ins Nirvana schicken. Was, wie genau, das lässt Google noch offen. Eine erwartete Kanzler-Kandidatur gibt man auch nicht zu früh preis. Man macht sich sonst unnötig angreifbar und kann Gelegenheits-günstige Zeitfenster nicht nutzen.
Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass Google keine Schuld trifft. Firefox als nicht-kommerzielle Organisation treibt „Cookie-less“ ebenso voran. Es ist ganz natürlich, dass Organisationen im Sinne diverser zu bedienender Zielgruppen agieren. Ob für User, Werbe-Kunden oder Share-Holder. Eine Schuldzuweisung hätte lediglich zur Folge, dass Verlage untätig in der Opferhaltung verblieben und damit wirklich den eigenen Untergang vorantreiben.
DSGVO & Content – ein Klacks gegen den Cookie-Tod
Wer nun meint, „wir haben DSGVO dann auch überstanden, wir brennen unsere Mitarbeiter ad-hoc dann eben wieder für ein paar Monate aus, sobald der Termin für das Ende der Cookies feststeht“, der könnte das Toten-Glöcklein hören. Im besten Fall wird der untätige Publisher nur in einen Vasallen-Status der US-Dominanten versklavt, um den Verlag mit Werbe-Geldern überhaupt noch finanzieren zu können. Google und Facebook haben nämlich den Marktvorteil, dass sie in ihren AGBs die Zustimmung der Nutzer einholen können, um weiter Zielgruppen vermarkten zu können.
Die Verlage und die restliche Werbe-Industrie haben das Nachsehen und es eben nicht mehr selbst in der Hand, das Ende der eigenen Zielgruppen-Vermarktung abzuwenden.
Die meisten Online-Portale haben ihre Sales-Mitarbeiter bzw. Eigen-Vermarktung in Rente geschickt, nachdem Programmatic Advertising zum Mega-Trend wurde. Alles automatisiert. Geld verdienen, optimiert. Doch wenn eine Bid-Auction keine User-Daten mehr hat, gibt es kein Programmatic mehr. Zumindest die meisten Formen davon sind passé. Ausnahme das Keyword-Targeting. Kerngeschäft von Google!
Was bleibt? Kontext-Targeting?
Aus meiner Sicht – sollte es so kommen und am Ende die Cookies als Werbe-Targeting-Lösung komplett wegfallen, wie ich es erwarte – gibt es vier Lösungs-Ansätze mit denen überhaupt noch Werbe-Geld auf Webseiten verdient werden kann:
- Verlage vermarkten wie früher ihre Rubriken mehr oder weniger manuell und ohne spezifisches User-Targeting. Dazu müssen Mitarbeiter eingestellt werden, was schwierig wird.
- Nutzung neuer Targeting-Formen anstatt Zielgruppen-Targeting, wie semantisches- bzw. kontextuelles-Targeting (Keywords, Sentiment, etc.).
- Vermarktung der Publisher-Seite durch Google, Facebook & Co only! Per technisch aufwändiger Ansätze und durch ihr Mehrwert-behaftetes Angebot im Kerngeschäft, bringen die Giganten gleich noch die User-Consents mit. Damit erhalten diese einen noch größeren Teil des Kuchens an den Werbeerlösen. Vom politischen Einfluß und die Berichterstattung ganz abgesehen.
- Als Variante der Vermarktung durch die Großen ist auch ein Konsortium von Verlagen bzw. Vermarktern mit einer einheitlichen User-Authentifikation möglich. Wenngleich hier aus meiner Sicht die wirksamen Anreize fehlen. Warum sollten User sich extra einen Account anlegen und der Daten-Sammlerei zustimmen, um sich oft lästige Werbung anzeigen zu lassen. Per ePrivacy wird den Verlagen überdies absehbar untersagt, das Content-Angebot für bestimmte User zu beschränken. Anders als beim Ad-Blocker, wo manche Seiten die Inhalte sperren, wenn dieser nicht deaktiviert wurde. Diese Strategie wird erwartbar nicht aufgehen!
Fazit
Sobald in den nächsten Monaten klar wird, dass die Luft dünn wird, werden sich alle Marktteilnehmer dem Kontext-Marketing zuwenden. Mancher wird bis ins Jahr 2022 warten, mit entsprechenden Folgen.
Darauf zu hoffen, dass der eigene Vermarkter die Lösung bringen wird, gleicht einem Himmelfahrtskommando. Allein die Unsicherheit über Zielgruppen-Marketing durch Nutzerdaten, wird die Strategen auf den Plan bringen, neue Ansätze zu testen.
Corona hat gezeigt, wie schmerzlich wegbrechende Werbeumsätze sein können. Die aktuelle Consent-Problematik verdeutlich nur zu gut, dass es mit Nutzer-Daten nicht besser werden wird. Werbekunden, Agenturen, Vermarkter und Publisher werden lernen, wie ohne Ausspähen der Kunden die Werbe-Erlöse erzielt und wirksam ausgespielt werden können.
Zusatz: kontextR wird es so nicht mehr geben!
Man kann meinen, dieser Artikel wurde verfasst, um die kontextR-eigene SaaS-Lösung – es handelt sich um eine Keyword- bzw. Contextual-Targeting-Technologie – zu bewerben. Zumal kontextR genau das Consent- und Cookie-Problem löst.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass wir in naher Zukunft das Geschäft einstellen oder mit Glück noch an einen Übernahme-Kandidaten abgeben werden, in dessen Technologie-Stack oder Strategie die Software passt.
kontextR tritt selbst nicht als Werbe-Vermarkter auf, welches rückwirkend der Königsweg im Ad-Tech ist, aber nie unsere Expertise war. Somit fehlt die Perspektive, um eine Technologie beispielsweise in Richtung einer programmatischen Keyword-SSP weiterzuentwickeln. Dass die Plattform, in die bisher über 2Mio€ geflossen sind, incl. staatlicher Förderungen und vor allem privates Geld, auf hunderte Millionen User stabil skaliert…, geschenkt! Weil eben ohne tragfähiges Geschäftsmodell nicht haltbar!
Das klassische Startup-Dilemma: zu früh oder zu spät aufgeben!?
Wir haben uns daher entschieden, ein neues Startup zu gründen und zu fokussieren, das sich der Barrierefreiheit am digitalen Arbeitsplatz widmet. Den Cookie-Tod und die Panik der Verlags- bzw. Werbe-Industrie abzuwarten, um noch einen Schnitt zu machen, wäre für ein Startup wie unseres wohl ebenfalls tödlich.
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Der Paywall-Kalkulator mit KPIs für Publisher
Verlage müssen Ihr Geschäftsmodell zunehmend auf Paid-Content ausrichten. Vor allem digitale Bezahlmodelle für exklusive Inhalte werden System-relevant und zur Frage der Überlebensfähigkeit für die gesamte publizierende Industrie.
Warum? Weil das Anzeigengeschäft von Firmen wie Google und Facebook gekapert wurde. So wie eben die Zeitungen in frühen Zeiten das Werbegeschäft der Marktschreier und herumziehenden Barder ersetzt haben. Ein normaler Vorgang, jedoch existenzbedrohend für viele Inhalte-Anbieter.
Auch die Säule der Event-Veranstaltungen bröckelt. Jedenfalls wird sie für Verlage nach Corona kein maßgebender Investitions-Bereich mehr sein. Bleibt für viele nur noch die digitale Paywall. Also die Beschränkung des Lesers beim Öffnen bzw. Fortlesen eines exklusiven Inhaltes, der ein Abo verlangt.
Am Ende dieses Beitrags finden Sie dazu Informationen zu unseren Digital-Abo-Kalkulator, den wir kostenfrei für Publisher zur Verfügung stellen. Damit können Sie als Verlag Ihren individuellen Business-Case rechnen, ob sich eine Paywall rentiert bzw. wo Wachstums-Potential besteht.
Die Anzeigen-Buchungen bei Publishern brechen weg und bleiben danach auf niedrigerem Niveau
Viele Webseiten-Betreiber, die schon seit Jahren auf Digital-Abos setzen, haben während der Corona-Krise eine enorme Anzahl Abo-Abschlüsse verzeichnet.
Dennoch schickten FAZ, Sueddeutsche, Zeit usw. Ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit. Der Grund dafür: Digital-Abos sind noch nicht so weit ausgebaut, dass sie die – vielleicht auch mittelfristig schon die einzig verbliebene – tragende Säule darstellen und das wegbrechende Werbegeschäft kompensieren.
Aber es wird den Verlagen nichts anderes übrig bleiben, als mind. 80% Ihrer strategischen Bemühungen dem digitalen Paid-Content zuzuwenden. Ob nun bereits mit etablierter Paywall oder mit der starken Motivation diese demnächst einzuführen, alle stehen vor der Herausforderung, das Geschäft auf ein beträchtliches Maß zu skalieren.
Was ist bei dem Betrieb einer Paywall zu beachten?
Neben der Art der Paywall – siehe dazu den Beitrag „Metered Model – so nutzen Größen wie SZ-Plus und Handelsblatt-Premium Paid-Content“ – und den eingesetzten Technologien, ist es entscheidend, die wichtigen Metriken und KPIs zu kennen.
Denn wenn Wichtiges nicht gemessen wird, was messbar wäre, ist dies fahrlässig und Management-Versagen!
Deshalb ist es entscheidend als verantwortlicher Verlagsleiter und Produkt-Manager, alle relevanten Messgrößen zu kennen bzw. zu wissen, auf welche in besonderem Maße regelmäßig zu achten ist.
Erfolgreiche Publisher werden zu eCommerce-Shops
Wem seit zwei Jahrzehnten die Online-Metriken aus eCommerce und SaaS-Geschäftsmodellen unbekannt sind, wie Customer-Retention-Rate, CLV, MRR, etc. der sollte nicht in Panik verfallen, aber auch den Schuss gehört haben. Alles was digital verkauft wird, unterliegt einer anderen Ordnung wie im Print-Vertrieb.
Ein Publisher, der eine Plus-Artikel Paywall einzieht oder eben stark wachsen lassen möchte bzw. nach Corona die Abonnenten nicht wieder verlieren möchte, sollte sich zwingend für den Prozess-Aufbau die besten Online-Marketiers und Shop-Experten ins Haus holen. Als Angestellte und Berater.
Es ist eben eine andere Welt! So wie eben auch Startups in einer anderen Dimension leben als etablierte Firmen. Ich finde dazu das folgende Video aus dem Jahr 2011 passend, um zu verdeutlichen, welche Kluft zwischen gemachten Erfahrungen liegen kann.
Der Paywall-Kalkulator für Digital-Plus-Abos
Werte und KPIs für Bezahlschranken sind für manchen eher abstrakt. Ebenso müssen diese in Zusammenhang gebracht werden, um die Auswirkungen auf das Publishing-Geschäft bewertbar zu machen.
Daher stellen wir, statt einer Liste von Metriken, einen Kalkulator bereit, der Ihnen eine erste Leitplanke gibt, auf was Sie beim Implementieren einer Paywall alles achten sollten. Als besondere Unterstützung, liefert der Rechner Markt-übliche Default-Werte. D.h. Sie können anhand der Benchmarks lernen, was relevant für Ihr Paid-Content-Geschäft ist und und welchem Rahmen sich Ihr Geschäft bewegen kann. Siehe kurzes Video des Kalkulators zur Übersicht:
Unter folgendem Link erreichen Sie den von kontextR kostenfrei bereitgestellten Rechner. Interessant auch für fortgeschrittene Paywall-Anbieter. Vor allem aber relevant für Publisher, die das Geschäft aufbauen und entwickeln möchten.
Sie brauchen mehr?
Manche Werte werden dem Print-Abo-Vertriebler bekannt vorkommen. Um es nicht zu kompliziert zu machen, haben wir die Metriken für bereits Erfahrene mit Paywalls in dem Online-Tool nicht alle berücksichtigt.
Dazu zählen die teilweise oben genannten für eCommerce, aber auch Test-Abo-KPIs, Paket-Strategie, etc. Aufgrund des Umfangs stellen wir die vollumfängliche Kalkulation auf Wunsch mit einer Beratung und ein Excel-Sheet für die individuelle Business-Case-Rechnung zur Verfügung.
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Plus-Abos auf der Webseite boosten mit AMP
Wer Digital-Abos als Web-Publisher anbietet, der fragt sich immer, wie er noch mehr Reichweite in seine Paywalls schickt. Selbst wenn in Zeiten wie Corona der Informationsbedarf zu sehr viel Traffic führt und Reichweite so kein Problem darstellt, so wird danach das Wehklagen der Portal-Betreiber über starke Einbrüche auf der Webseite nicht zu überhören sein.
Mehr Reichweite
Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Reichweite auf der Seite zu erhöhen. Siehe dazu die „effektivsten Kanäle„. Auch bietet kontextR mit inText-Links ein Format, um aus dem eigenen Longtail des Publishers nochmals alles an Zusatz-Reichweite herauszuholen und diese auf Plus-Artikel zu lenken.
Dennoch möchte ich hier gerade für Plus-Abos einen womöglich wahren Umsatz-Booster nennen, der aber nur für Mobile funktioniert: Accellerated Mobile Pages, kurz AMP, von Google.
Was ist AMP?
Um es flax auszudrücken: ein Publisher erlaubt, dass seine Artikel bei Google auf dem Server liegen. Dann kann Google diese Inhalte sofort bei einer Google-Suche des Users bereitstellen, ohne dass diese vom Portal-Betreiber geladen werden müssen.
Der Vorteil ist klar die Geschwindigkeit und somit User-Experience. Dazu wird die Seite extrem abgespeckt und von viel lieb gewonnenen Code „befreit“.
Genaugenommen ist AMP ein HTML-Framework. Es braucht daher etwas technische Expertise als Publisher, um die Technologie zu nutzen.
Diejenigen, die es gemacht haben, schwören auf AMP für ihre Reichweiten-Gewinnung allgemein. Selbst wenn man sich natürlich wieder dem potentiellen Feind hingegeben hat. Aber man kann sich trösten, denn in diesem Fall geht es nicht um die Konkurrenz im Ad-Geschäft, sondern Google möchte einem ja nur helfen und den Lesern. So ist es halt mal, den Großen und Mächtigen kommt man nicht aus – mal Freund, mal Feind.
Wenn Du also gegen Deinen Gegner nicht gewinnen kannst, sei wie das Wasser und fließe um die Steine herum 😉
Sung Zu – in abgewandelter Form
Wie sieht AMP für den Leser aus?
Sobald der Leser auf einem Smartphone die Google-Suche betätigt, erhält dieser ein Karussell von kleinen Thumbnails mit Texten.

Weil Google für SEO-Rankings die Geschwindigkeit von Artikeln stark berücksichtigt, werden natürlich diejenigen Contents präferiert, die bei AMP hinterlegt sind. Denn diese laden ja am Schnellsten, da vom Google CDN kommend.
Vorteile für Publisher mit Digital-Abo
Das bedeutet, dass Plus-Artikel, die per AMP im Google System hinterlegt sind, nicht nur für den User schnell laden, sondern von Google auch massiv promoted werden.
Wie gesagt, nur auf Mobile! Denn Google will auch sicherstellen, dass Leser bei schlechter Internet-Verbindung die Inhalte ohne viel Zeitverzögerung konsumieren können.
Das kann für sehr viel neue Reichweite in die Paywalls der Publisher sorgen.
Von einem namhaften Publisher habe ich erfahren, dass dieser 50% der Abo-Umsätze aus AMP-Traffic macht!!! Eine unglaubliche Zahl. Sicherlich nicht einfach kopierbar, aber womöglich ein Best-Practice!
Vorteil ist auch, dass der Leser zu den Keywords aktiv gesucht hat und dann in einen passenden Plus-Artikel gelenkt wird. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit der Abo-Konversion beträchtlich – wurde der Leser ja nicht beiläufig auf das Artikel-Thema verwiesen, sondern eben passend zu seinem Such-Kontext.
Nachteil von AMP für Publisher
Neben dem oben genannten Markt-politischen Gefahren und einem gewissen anfänglichen technischen Aufwand beim Seiten-Betreiber, kommt hinzu, dass viele technische Bestandteile eines Artikels eliminiert werden. Zumindest diejenigen, welche aus Google-Sicht die Seite langsamer machen würden.
Das bedeutet auch, dass manche Lösungen von Vermarktern bzw. sonstige von Servern geladene Inhalte potentiell nicht dargestellt werden können. Es wurden zwar Ausnahmen für bestimmte Ad-Networks hinzugefügt, aber der Publisher verliert in einem bestimmten Maß die Hoheit über den ausgespielten Inhalt und Vermarktungs-Freiheit.
Fazit
Wer die Chancen von AMP als Verlag für seine Digitalen-Abos nutzen möchte, wird vermutlich einen einigermaßen starken Traffic-Sprung erleben.
Zwar sind die Ad-Vermarktungs-Optionen durch AMP eingeschränkt. Aber gerade für Bezahl-Inhalte gilt eh, dass hier kaum oder keine Werbung geschalten wird. Zumindest fallen Anzeigen wegen der geringeren Page-Impressions von Bezahl-Inhalten auch nicht so sehr ins Gewicht.
Daher kann eine Strategie sein, dass ein Verlag nur Plus-Artikel-URLs in AMP freigibt und somit den Großteil seines Contents owned.
In Deutschland nutzen etwas mehr als ein Viertel der Publisher AMP. Ob das auch für den Rest sinnvoll ist, muss jeder politisch und strategisch für sich selbst entscheiden. Wenn man einen motivierten Techniker hat, ist es einen Test womöglich wert.
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Wie nutze ich als Vielleser Online-Inhalte und Digital-Abos?
Dies ist ein persönlicher Erfahrungs-Bericht und Selbst-Reflektion als Online-Leser. Gleichzeitig bin ich selbst die Zielgruppe der Heavy-User von News-Portalen. Dennoch habe ich bisher erstaunlicherweise nur ein einziges Bezahl-Abo! Warum?
Was für ein Online-Leser bin ich?
Mich kennzeichnet, dass ich pro Tag durchschnittlich 50 redaktionelle Artikel lese. Vor der Gründung von kontextR waren auch gerne bis zu 200. Die Leidenschaft zu Informationen war sicherlich auch ein wichtiger Grund, warum ich gerade im Verlagswesen ein Startup gründen wollte.
Viele, viele Browser-Tabs
Außerdem habe ich immer eine Menge Reiter im Browser offen, die ich dann irgendwann – manchmal nie – abarbeite. Und so fühlt es sich für mich manchmal auch an: nach Arbeit!
Meine Neugier, die durch reißerische Schlagzeilen geweckt wird, denen ich mich nicht verwehren kann, aber auch die Sorge, eine wichtige Information verpassen zu können, erzeugt die inflationäre Ansammlung von noch nicht gelesenen Artikeln. Gleichzeitig erzeugt dies auch ein schlechtes Gewissen. Jeder kennt das, der viele Bücher zuhause liegen hat, die noch gelesen werden wollen. Dazu kommen täglich neue Artikel dazu. Vor allem weil ich regelmäßig durch diverse News-Portale browse und viele Newsletter mit Unmengen an Content erhalte.
Welche Werkzeuge zum effizienten Lesen nutze ich?
Folgende Liste diverser Tools, die ich nutze, meist als Erweiterungen im Chrome Browser:
- zum Speichern von Tabs (Session Buddy)
- zum Arbeitsspeicher-Schonen bei hundert(en) Tabs (The Great Suspender)
- unsere selbst entwickelte Chrome-Extension ZOOM Premium zum Vergrößern der Schrift)
- unseren ebenfalls neuen Content-Blocker für übersichtlicheres Lesen
- unsere Link-Preview um vor Klick zu wissen, ob sich dieser lohnt

Wir bauen ständig neue kleine Helferlein für und unsere Leser. Schon allein, weil Teile des Teams und ich Extreme-Nutzer sind. Zu empfehlen sind weitere Tools wie Pocket, Mercury & Co. Meine Performance optimieren diese nicht merklich, um noch schneller und mehr zu lesen.
Was hat das nun mit Paid-Content zu tun?
Bevor in den letzten Jahren und Monaten fast alle meiner präferierten Publisher eine Plus-Paywall eingezogen haben, dachte ich, dass die Leser das vorwiegend ablehnen würden. Warum sollte man einen Artikel, den man online bisher kostenfrei und ohne Hürden plötzlich bezahlen wollen? Bei der immensen Auswahl von Alternativen im Web!
Schließlich sind deshalb viele digitale Inhalte kostenfrei, weil das große Angebot den Preis nahe Null bewegt.
Doch es ist etwas passiert – mit mir passiert. Etwas in meiner eigenen Psychologie, womit ich nicht gerechnet hatte:
Ich bin oft froh, dass ein Artikel „paid“ ist, damit ich ihn nicht lesen muss!
Das hört sich womöglich verquer an! Es fühlt sich aber wie eine Art Erleichterung an, wenn ich einen der vielen Tabs öffne und sehe, dass ich diesen nun gar nicht lesen muss, weil ich diesen ja bezahlen müsste. Für mehr als ein dutzend Portale, die ich regelmäßig besuche, würde ich niemals 10-30€ je Abo pro Monat blechen. D.h. Paid-Content hat es geschafft, dass ich die Anzahl der Tabs minimieren konnte und mein schlechtes Gewissen auf Vordermann gebracht habe. Selbst wenn ich den Plus-Content geöffnet habe, so reichen mir oft die ersten Zeilen, um die Kern-Message mitzunehmen.
Und wenn ich einen Artikel unbedingt lesen möchte, der hinter einer Paywall liegt, so bieten manche Publisher an, kostenfrei Artikel zu lesen. Zumindest eine gewisse limitierte Anzahl pro Monat, bevor die Artikel hinter der Bezahlschranke verschwinden – siehe dazu den Beitrag „Metered Model – so nutzen Größen wie SZ-Plus und Handelsblatt-Premium Paid-Content„. Findige User lösen das „technisch“ oder falls nicht möglich einfach durch mehrere Email-Accounts. Wo steht geschrieben, dass das verboten ist?
Muss journalistische Leistung in jedem Falle bezahlt werden?
Der Einwand eines Journalisten kann nun sein, dass redaktionelle Leistung auch bezahlt werden muss. Ich würde dem zustimmen. Dennoch braucht es dafür Modelle, die attraktiv sind.
Mit Moral macht man kein Business, sondern durch Kunden-Nutzen!
Warum gibt es heute kaum mehr illegale Musik- oder Video-Downloads oder sind unattraktiv für User geworden? Weil es Plattformen wie spotify, itunes, etc. gibt, die es legal möglich machen, digitale Assets noch weit besser zu konsumieren als es die kostenfreien Varianten je könnten.
Das bedeutet, Publisher brauchen dieses User-Experience-Modell, damit weit mehr Leser zu Digital-Abonnenten werden. Einen Ansatz hierzu habe ich in dem Artikel „Irgendwann wird es ein „Amazon Prime Press“ für Paid Content geben“ beschrieben.
Dennoch, ich bin seit einigen Wochen ein Plus-Abo Kunde
Corona macht´s möglich. Als Entrepreneur interessiere ich mich brennendst für Trends und wie man diese nutzen kann. So fand ich einen Plus-Artikel, der diejenigen börsennotierten Firmen aufgelistet hatte, die trotz oder wegen der Krise stark wachsen. Das erste mal, und bis dahin hatte ich wohl insgesamt ca. 1000 Plus-Artikel geöffnet, wurde ich ein echter Plus-Abonnent! Und ich muss zugeben, der Provisionierungs-Prozess des Verlags war top. Darüber werde ich vielleicht demnächst noch schreiben, wie man es richtig macht.
Natürlich habe ich erstmal nur ein Test-Abo und danach wird´s erst richtig teuer. Aber Digital-Leute wie ich sind bei monatlichen Kündigungs-Optionen locker. Anders als Generationen vor mir, die ein Abo abschließen und denen die Kündigung so viel Energie abverlangt, dass sie lieber zahlen, so ist Kündigen ein gut gelerntes Verhalten bei Konsumenten geboren nach 1975.
Dies sollte nicht vergessen werden, wenn Publisher aktuell Probe-Monate anbieten und in der Krise sehr viele neue Abonnenten gewinnen. Wenn Corona vorbei ist, werden nicht wenige Abonnenten sofort die Reißleine ziehen. Zumindest falls man nicht wirklich regelmäßig qualitativen und auf den User zugeschnittenen Content erhält. Das ist schwer, denn die Ansprüche sind hoch und die Bedürfnisse der Leser sehr unterschiedlich!
Die Kundenbindung wird die zentrale Herausforderung für die Publisher. Vor allem für die Newcomer im Bezahl-Geschäft, welche lediglich die bisherige redaktionelle Leistung auf „bitte nun bezahlen“ gestellt haben. Und zwar ohne dass der Leser einen Qualitäts-Schub erlebt. Qualität aber erzeugt für den Verlag höhere Kosten, so dass sich die Marge kritisch senken kann.
Sollte man als Publisher überhaupt Plus-Abos anbieten?
Aus meiner Sicht ein klares JA! Die meisten Verlage, die überleben werden, tun diese wegen Plus-Abos. Siehe dazu „Warum Publisher keine Online-Anzeigen mehr verkaufen, sondern auf Paid-Content setzen sollten?„
Deshalb ist es umso wichtiger, dass es frühzeitig auch richtig gemacht wird. Ich empfehle hierzu externe Consultants zu Rate zu ziehen oder auf Anfrage unseren kontextR Business-Case-Kalkulator für Plus-Abos. Damit kann mit wenigen relevanten Parametern die Attraktivität einer Paywall berechnet werden.
Fazit
Gerade Heavy-User wie ich, die viele hundert Touch-Points in Plus-Artikel benötigen, um zu konvertieren, müssen gesondert in eine Zielgruppen-Analyse einfließen. Für Leser wie mich gilt, ab einer kritischen Anzahl von geöffneten Paid-Contents ist die Wahrscheinlichkeit eines Abschlusses nahezu garantiert. Persönlich schätze ich diesen für meine Persona auf eine Conversion-Rate von 0,2% für ein überregionales News-Portal ein. Das bedeutet, ein Portal muss durch diverse Reichweiten-Maßnahmen des Verlags eine Menge Traffic in die Paywalls erzeugen. Beispiele hierfür sind
- passende Verlinkungen in den Texten
- Startseiten-Teaser
- Newsletter
- usw.
In meinem Falle wären das ca. 500 Klicks in Plus-Artikel, die nötig wären mich zum Kunden zu machen. Natürlich muss jede Zielgruppe gesondert betrachtet werden und es hängt auch vom Content selbst ab. Die Message lautet aber:
je mehr Leser in die Artikel mit Paywalls geschickt werden, desto mehr Abo-Abschlüsse –> Traffic * Conversion-Rate = Abonnenten
Für Publisher die bereits gut aufgestellt sind, bietet kontextR PLUS+ genau hierfür einen Ansatz für viele tausend bis Millionen Klicks in die Plus-Artikel. Mit dem Umsatz-Kalkulator kann ein Publisher schnell berechnen, ob die Lösung einen relevanten Beitrag zu seinem Geschäft hat.
Weniger lesen
Mancher wird sich beim Lesen der Einleitung gedacht haben, wo nimmt der die Zeit her so viele Artikel zu konsumieren? Es ist einerseits mein Business, andererseits hat es mit einer persönlichen Neugier und Wissensdurst zu tun.
Dennoch würde ich allen, denen ebenso ergeht empfehlen, weniger zu lesen! Vielleicht dann wirklich nur noch Paid-Content-Artikel, die dann hoffentlich eine über-galaktische Qualität und Relevanz für mein Leben aufweisen.
Ich reduziere die Anzahl von Content seit Jahren kontinuierlich. Und wer weiß, vielleicht komme ich durch „digitales Detox“ an den Punkt, keine Informationen mehr aufnehmen zu wollen und zu müssen – sondern einfach nur zu sein.
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Irgendwann wird es ein „Amazon Prime Press“ für Paid Content geben
Nahezu alle digitale Assets haben eines gemeinsam: am Ende gibt es weniger als eine Hand voll Player, die mit einem 9,99€ Abo die ganze Content-Welt anbieten. Ob spotify im Musik-Geschäft, netflix für Videos, etc., sobald Inhalte von Usern fast nur noch digital genutzt werden möchten, geht es um User-Experience und damit einem Kompetenzbereich außerhalb der Verlage.
User-Experience ist die entscheidende Achilles-Ferse
Für Premium Paid-Content der Verlage bedeutet eine optimale Nutzer-Erfahrung, dass
- Anwender nur einen Account haben und nicht dutzende
- der Preis stimmt und für mehr als 80% der Menschen erschwinglich
- das Angebot durch extreme Vielfalt gekennzeichnet ist
- per Nutzer-Daten Inhalte komplett zugeschnitten sind auf den Konsumenten
Im Digital-Geschäft gilt langfristig immer „the winner takes it all!“. D.h. die Markt-Macht einer Plattform wird so groß, dass selbst die vormals großen Verlags-Player sich über die Zeit unterordnen müssen.
Die marktwirtschaftlichen Gründe für einen Plattform-Gewinner:
- Netzwerk-Effekte
- Internationalität
- Null-Kosten für unendliche digitale Kopien
- Finanzielle Power
- Durchhaltevermögen
Anders als im produzierenden Gewerbe, wo ein Produkt mit Material hergestellt werden muss, kostet die Kopie Geld. Und auch der Staat kann und sollte den Verlagen nicht mit Steuergeldern aushelfen, da dies nur Verwerfung in der Innovationsfähigkeit und für Demokratien gefährliche Hofberichterstattung endet.
Wann sind die Verlage dran dominiert zu werden?
Wenn man sich ansieht, welche Inhalte hauptsächlich digital nachgefragt werden, sind dies
- Musik
- (Hör-)Bücher
- Video
- Games
- Online-Artikel
Dabei fällt auf, dass es in allen eroberten digitalen Bereichen nur Monopole oder wenigstens Oligopolisten gibt, welche die Kunden-Ownership (!) haben.
Aber noch nicht im Publisher-Markt für Editorial-Content!
Warum sind die Publisher bisher noch nicht von Amazon, Apple, Google, Facebook, etc. überrollt und unter das eigene Dach eingeheimt worden?
Teilweise ist dies schon passiert! Auf der Traffic-Seite mit Google News und SEO im Allgemeinen. Kaum ein Publisher kommt daran vorbei, ohne sich zu schädigen! Auf der Anzeigen-Seite haben die Plattformen bereits das Anzeigen-Geschäft an sich gerissen.
Die letzte Bastion steht aber noch: der Content liegt noch auf den Servern der Publisher. Zwar gab und gibt es bereits Bemühungen von Google mit AMP und Facebook mit Instant-Articles. Aber nach Gefahr fühlt sich das für die Verlage nicht an. Zahlt Google diesen doch jährlich viele hundert Millionen über das Google DNI Programm für schöne neue journalistische Projekte. Damit kauft man sich geschickt von schlechter Presse frei! Und Facebook hat von den Verlagen aus strategischen Gründen abgelassen.
Also doch alles gut?
Ich würde sagen, nein! Es ist einfach nur die Frage, wer den längeren Atem hat, die Verlage oder die Plattformen. Die Antwort liegt auf der Hand. Und wenn Sonder-Ereignisse in der Gesellschaft und Wirtschaft eintreten, verändert sich die Lage rasch.
Ein Blick in die Vergangenheit
Wer waren die größten Gewinner der Dot-Com-Bubble? Google und Amazon! Danach gab es eben keine Konkurrenz mehr und die Marktmacht stieg ins Unermessliche. Amazon konnte beispielsweise hunderttausende eCommerce-Startups einfach in den Amazon Marktplatz aufnehmen und das Angebot und Mehrwert für User explodieren lassen. Nicht zu vergessen, die vielen freigesetzten Gründer wie auch die nun für eCommece-Technologien best ausgebildetsten Mitarbeiter, standen nun, um nicht arbeitslos zu sein, bei Amazon zu vergleichsweise niedrigen Gehältern auf der Payroll.
Jede Krise erzeugt Gewinner…
aber noch weit mehr Verlierer. Meine Prognose ist daher, dass in der kommenden Rezession die meisten Verlage einen beispiellosen Untergang erleben. Das Anzeigen-Geschäft wird nivelliert, das Digital-Abo der noch rettende Anker. Viele werden einen weißen Ritter willkommen heißen, der sie in ihre Burg lässt. Natürlich nicht die Abo-Platzhirsche wie die New York Times oder eine Sueddeutsche. Diese werden sich bis zu letzte dagegen mit allen Mitteln wehren.
Und es wird kein unbekannter Player sein, der den Retter spielt. Denn um als Gewinner hervor zu gehen, muss man bereits erfolgreich und Dominant im digitalen Geschäft sein.
Es wird Amazon sein!
Der US-Riese ist der vielversprechendste Kandidat. Sobald sich die Gelegenheit ergibt, wird Amazon zuschlagen. Bis dahin wird man sich aber in fast schon meditativer Zurückhaltung und Dementis üben.
Denn der Grund für den noch nicht erfolgten Angriff ist eine Besonderheit im Publishing: Journalisten können einem das Geschäft vermiesen im eigentlichen Kernmarkt: indem sie einen herunter schreiben, wenn sie sich angegriffen fühlen. Jeder Politiker spürt diese Macht. Deshalb kommt es immer auf das Timing an. Man stelle sich vor, der Thüringer Landtag wäre in der Corona-Krise gewählt worden. Es wäre wohl kein historisches Ereignis geworden.
Eine Firma wie Amazon weiß das. Sie muss nur darauf warten, bis der Gegner wirtschaftlich sturmreif geschossen wurde, andere Themen die Agenda bestimmen und die Nachfrage der Konsumenten den Markt-Einstieg schon fast erzwingen. Der Widerstand der Journalisten wird bei den Lesern, die gleichzeitig Konsumenten einer extrem beliebten weil Kunden-freundlichen und alternativlosen Firma wie Amazon sind, auf taube Ohren stoßen.
Taktisch beginnt der Amazon-Angriff mit der Erlaubnis an Publisher – wie immer zuerst ausgewählte – ihren Content bei Amazon hochzuladen. D.h. Text-Artikel zu Produkt-Beschreibungen, -Tests, usw, die dann auch helfen, die Affiliate-Verkäufe zu erhöhen. Die Provisionen kommen dann den Verlagen zugute. Somit wird Amazon erstmal die Webportale verstärkt motivieren in das Amazon Reich einzutreten, die namhaft sind und Produkt-nah publizieren.
Was passiert, wenn es ein „Amazon Prime Press“ gibt?
Ob nun innerhalb von Amazon Prime oder eher wahrscheinlicher als paralleler Dienst wie bei Audible, der Service für die Amazon-Kunden wird unschlagbar sein:
- alle Paid-Contents als Flatrate
- zu einem Spot-Preis
- von allen großen Publishern
- auf der ganzen Welt
- allein mit bestehendem Amazon-Login und vertrauten Bezahl-Modalitäten
- mit Recommendation-System
- einheitlichen, UX-optimierten Frontends in Form von Apps, in kindle, etc.
Dieses Angebot muss über kurz oder lang kommen, weil zwingend Mehrwert-behaftet für Aber-Millionen Nutzer. Es handelt sich einfach um eine Markt-Mechanik mit Konvergenz!
Ob sich eine Firma wie Amazon dazu ein Startup wie kauft, wie es bei Lovefilm für Amazon-Video oder wie es auch bei Audible der Fall war, ist letztlich nur eine strategische Time-to-Market-Frage.
Gibt es kein anderes Szenario?
Theoretisch ja, aber eher unwahrscheinlich. Es gibt bereits Bezahl-Lösungen, die über den Horizont eines Verlags hinausgehen.
Denn was sich langfristig nicht durchsetzen wird ist, dass es tausende Paywalls tausender Publisher gibt.
Startups wie Blendle oder Laterpay würden ansatzweise Lösungen anbieten, die, wenn konzertiert erweitert, über die Wallet-Gardens der einzelnen Publisher hinausgehen. Damit würde es Lesern ermöglicht, mit nur einem Account übergreifend Paid-Content zu konsumieren.
Es ist nicht realistisch, dass Online-User viele einzelne Digital-Abos gleichzeitig bezahlen werden. Das ist einfach zu teuer und irgendwann hat man auch nicht die Zeit sich das Geld in Form gelesener Artikel zurückzuholen. Es gibt daher eine endliche Menge an zur Verfügung stehenden potentiellen Abonnenten. Ich schätze, dass in Deutschland grundsätzlich 25% ein Verlags-Abo abschließen würden. Das bedeutet aber auch, dass sich die vielen Publisher den Kuchen aufteilen müssen. Mit der Folge, dass sich die Anzahl der Publisher deutlich reduzieren wird.
Allianzen wären ein Ansatz
Es scheint jedoch so zu sein, als würden die Verlage einmal wieder dazu übergehen, alles selbst machen zu wollen. Startups im Publishing können ein leidiges Lied davon singen.
Vermutlich ist es sogar in dieser Phase die mittelfristig beste Strategie alleine voranzugehen, denn als Verlag kann man schneller diverse Bezahl-Modelle und Kalibrierungen testen.
Die Verlags-DNA will seit jeher keine Modelle von externen Anbietern aufgestülpt bekommen, das die Interessen vieler in einem kleinsten gemeinsamen Nenner vereint.
Das hat auch etwas mit dem Selbstverständnis zur Meinungsfreiheit und – Vielfalt zu tun. Es ist leider auch der wunde Punkt, der die Branche zu Fall bringen kann.
Wer nicht kooperiert und zusammenhält, wird irgendwann überwältigt.
Wie in der Vermarktung könnte dennoch in einigen Ländern die Einsicht reifen und die Verlage tun sich doch noch einmal zusammen, um ein übergreifendes Digital-Abo zu entwickeln. Aus meiner Sicht fehlt ihnen dafür jedoch die Technologie, die schnellen Entscheidungswege und die Solidarität. Ähnlich wie in der EU will kein sparsames Land den laxeren schwächeren aushelfen. Aber weit schlimmer:
selbst in einer künstlichen Allianz, wollen Publisher eigentlich gar nicht zusammenarbeiten und müssten dies nur aus der Not heraus. Schlechte Voraussetzungen, um gegen Digital-Götter zu bestehen.
Fazit
Es ist für mich daher nur noch eine Sache von Monaten oder Jahren, definitiv aber in den 20ern diesen Jahrhunderts, dass es eine Übermacht für redaktionelle-Bezahl-Inhalte geben wird.
Die offene Frage ist nur noch, wie der Service heißen wird?
„Amazon Press„, „Amazon Premium Articles„, „Google News Plus„, „Google Articles„,…. Oder wird es doch noch die „Paid-Content-Alliance„?
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Metered Model – so nutzen Größen wie SZ-Plus und Handelsblatt-Premium Paid-Content
Sobald Online-Publisher „Paid-Content“ als Geschäftsmodell für sich entdecken, stellt sich die Frage, wie die Bezahlschranke genau aussehen soll? Schließlich möchte man seine Leser nicht vergraulen und Einbrüche in den Page-Impressions erleben. Das wiederum hätte starke Auswirkungen auf die Anzahl der Werbe-Ausspielungen und somit Anzeigen-Umsätze.
Webseiten-Betreibern stehen hier diverse Paid-Modell-Ansätze zur Verfügung. Ob die gedruckte Zeitung als ePaper, eine harte Paywall für alle online Inhalte, bezahlen erst nach Nutzung wie bei laterpay oder das Metered-Model…, es stehen diverse Möglichkeiten und Kombinationen im Raum.
Über die letzten zehn Jahre wurde einiges ausprobiert und es kristallisieren sich tendenziell bestimmte Erfolgsmodelle heraus. Anhand der Sueddeutschen mit ihrem SZ-Plus Abo-Angebot und dem Handelsblatt Online-Abo möchte ich aufzeigen, wie es funktionieren kann. Wohl wissend, dass sich diese Plattformen stets weiterentwickeln. Angemerkt sein auch, dass jeder Publisher anders ist. Aber man kann sich immer von den Erfolgreichen etwas abschauen.
Das Setup der Sueddeutschen für Plus
Der Prozess und Aufbau sollte im Übrigen dem von Spiegel.de sehr ähnlich sein. Stefan Plöchinger, der das Abo-Geschäft maßgeblich bei der SZ mit aufgebaut hat, wurde ersichtlich vom Spiegel abgeworben, genau die Erfolgsrezepte dort zu adaptieren.
Folgendes Setup nun kennzeichnet den Abo-Funnel, um neue SZ-Plus Abonnenten zu gewinnen:
- immer kostenfreie (News-)Artikel
- optional kostenfreie Artikel – im Metered-Model mit dem Wert ca. 10
- immer Plus-Bezahl-Artikel
Soweit ich es einschätze, ist die SZ-Redaktion dazu angehalten, jeden redaktionellen Artikel nach dieser Kategorisierung zu kennzeichnen. Und zwar mit einem Wert, beispielsweise 1-3.
Ein News-Beitrag würde so mit einer „1“ im CMS geflagged. Gerade wenn es die „schnellen Inhalte“ z.B. DPA-News an vielen anderen Stellen auch zu lesen gibt, macht es wenig Sinn, für diese geringe journalistische Qualität Geld zu verlangen. Dies kann Leser verschrecken und der Publisher verliert womöglich Page-Impressions, die für Werbe-Buchungen und -Umsätze essentiell sind.
Daneben gibt es Artikel mit der Markierung „2“, die optional kostenfrei sind, selbst wenn eine höhere redaktionelle Leistung dahinter steht. Dies ist für einen Anbieter wie die Sueddeutsche sehr wichtig, weil sie sich als General-Interest-Publisher für Noch-nicht-Abonnenten als Qualitäts-Medium positionieren muss. Die Taktik hier ist, dem Leser eine begrenzte Anzahl von Artikeln kostenfrei ohne Paywall zur Verfügung zu stellen. Und zwar innerhalb eines bestimmten Zeitraums, Standard ist ein Monat. Bei der SZ liegt der metered Wert bei ca. 10. D.h. ein Leser kann 10 Artikel der Kategorie „2“ komplett und frei lesen, bevor auch diese mit „2“-markierten alle nur noch mit einem Plus-Abo zugänglich sind. Ein derartiger Artikel wird so über die Zeit und je Leser als Level-3-Artikel hochgestuft.
Ein Artikel der Stufe „3“ ist immer ein Paid-Content. Hierunter fallen hochwertige, recherchierte Informationen, Daten-journalistische Inhalte und Geschichten. Diese sind niemals der Kategorie 2 zugeordnet. Meist sind diese Plus-Texte länger. Bei der SZ sind die Artikel immer „anlesbar“. D.h. nach wenigen Absätzen verdeckt die Paywall den weiteren Text.

Optimierung der Abo-Abschlüsse
Ein Anlesen des Textes, um den Inhalt und Stil des Redakteurs kennenzulernen, würde ich immer empfehlen. Die SZ hat augenscheinlich vor Kurzem die Anzahl der frei zu lesenden Absätze verkürzt, bevor die Paywall anschlägt.
Dies ist ein Beispiel, wie Publisher die Umsätze optimieren können. Es gibt diverse Spielräume, die eigenen Leser zu testen, wie viel man ihnen zu lesen gibt, um die Conversion-Rate für Abos zu steigern. A/B-Tests sind hier wichtige Methoden für die verantwortlichen Produkt-Manager.
Gleiches gilt für Tests zum Metered-Wert. Dieser ist ständig zu überprüfen. Die SZ spielt vermutlich mit bestimmten Varianten, z.B. auf 8 herunter zu gehen. Immer behutsam, man will ja wie erwähnt die Reichweite der Webseite nicht zu sehr strapazieren.
Wenngleich Traffic von Nicht-Abo-Kunden in Zeiten Corona weniger wichtig geworden ist. Einerseits, weil eh viel Nachfrage nach Informationen besteht und die Seitenaufrufe explodieren. Andererseits und viel essentieller, die Reichweite ist für Werbung kaum nutzbar. Die Anzeigen-Buchungen sind um 70-90% eingebrochen. Daher können sich Plus-Publisher gerade jetzt in der Corona-Krise ohne Gefahr auf das Paid-Content-Modell stürzen und die Vorbehalten in Bezug auf das Anzeigen-Geschäft zur Seite schieben. Die meisten etablierten Webseiten versuchen aus der Situation Kapital für neue Abonnenten zu schlagen, was ein valides marktwirtschaftliches Mittel ist und diejenigen belohnt, die schon früher auf Paid-Content gesetzt haben. Siehe dazu beispielsweise die (Corona-)Aktion von FAZ+, redaktionell begleitet von Carsten Knop in seinem Beitrag „Warum wir F+ für Sie günstiger machen“.
Wie sieht es beim Handelsblatt aus?
Beim Handelsblatt ist der Metered-Model-Wert aktuell bei 2. Der Verlag hat als einer der ersten mit Paid-Content-Artikeln gestartet und konnte so für seine Leserschaft die Parametrierung testen und über die Jahre optimieren.

Nur am Rande: Dieser frühe Start und Know-how-Vorsprung ist vermutlich auch der Grund, warum das Handelsblatt Digital-Abo (noch!) nicht „Handelsblatt Plus“ heißt. Es ist bekanntlich für „first mover“ oft schwierig sich an die Markt-Konvergenzen anzupassen, die sich aus der Anhäufung der erfolgreichen Spätzünder ergeben.
Die Professionalität bei Handelsblatt ist auch daran erkennbar, dass sie alle Möglichkeiten nutzen, die Leser in weitere Artikel zu verlinken. Ob über individuelle Newsletter-Angebote, dem Follow-Tag-System mit dem man sich als registrierter Nutzer nur die Artikel anzeigen lassen kann, für die man sich einträgt, und vor allem die vielen inText-Links in den Artikeln, welche die Redaktion manuell setzt – wie im Screenshot oben zu erkennen.
Dass dies auch automatisch und in weit skalierbarer Weise geht, um die Reichweite in die Paywalls massiv zu steigern, ist auch der Ansatz mit kontextR PLUS+.
Fazit zum Metered-Model
Aus meiner Sicht ist die Metered-Paywall für viele Publisher eine schöne Möglichkeit, sich sachte an die imaginäre Schwelle heranzutasten, an der der Content kostenpflichtig sein soll. Das kann soweit gehen, dass ein Verlag merkt, dass er überall eine harte Paywall einführt. Somit gäbe es dann nur noch Plus-Artikel. Eben weil man von kostenfreien Artikel schrittweise den Metered-Wert heruntergesetzt hat, bis es sich auf irgendeine Weise negativ ausgewirkt hat oder eben nicht.
Grundsätzlich korreliert der Metered-Wert proportional zum Brand eines Publishers, seiner Markt-Stellung und damit dem Preis für ein Plus-Abo.
Special-Interest Portale werden hier tendenziell geringere Metered-Werte aufweisen, wie General-Interest-Seiten.
Probleme mit dem Modell
Zum Schluss sei noch angemerkt, dass das Metered-Modell mit Cookies funktioniert. Selbst wenn 1st Party Cookies weniger kritisch sind in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit – siehe hierzu auch den Beitrag „Warum Publisher keine Online-Anzeigen mehr verkaufen...“. so können User in ihren Browsen immer granularer einstellen, ob sie auch diese Form der Nutzer-Datensammlung akzeptieren. Falls nicht, können diese User schwer getracked werden.
Ein Haken am Metered-Modell kann auch der inPrivate- bzw. InKognito-Mode diverser Browser sein. Damit kann theoretisch der Metered-Wert vom Leser ins Unendliche verschoben werden. Das ist technisch teilweise lösbar und aus meiner Sicht (noch) kein gravierendes Problem oder Grund das Modell nicht zu testen. Denn die meisten Leser kennen derartige technischen Feinheiten nicht. Nur so erklärt sich im Übrigen auch die relativ geringe Ad-Blocker-Rate von 20-25%. Gering, weil User, die sich auskennen nahezu alle die Werbung blocken. So erklärt sich die Ad-Blocker-Rate auf Game-Portalen von über 80%. Die Kids checken es eben!
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Rettung der Verlage in Zeiten Corona?
Drei Jahrzehnte lang wird der Niedergang der Verlage beschworen. Teilweise zu Recht, weil die Print-Verkäufe stetig zurückgehen und gleichzeitig im Digitalen Geschäft vergleichbare Umsätze nicht erwirtschaftet werden. Da stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch Rettung gibt? Und wenn ja, ist das rettende Ufer der Paid-Content? Oder ist es eine Mär, wen wie einst der Chef von Bertelsmann auf der DMEXCO vom „Webfehler des Webs“ gesprochen hat und die Kostenlos-Kultur als Grund für die Misere ausgemacht hatte?
Komplexität durch Corona
Seit zehn Jahren bin ich als Software-Anbieter für Verlage als meine Kunden tätig, sowohl angestellt bei einem Konzern, als auch als Unternehmer. Meine zweite Leidenschaft ist das Thema Komplexität. Im Zuge dessen beschäftige ich mit der sog. Kübernetik mit komplexen Systemen. Und in Zusammenhang mit Corona handelt es sich um eine neu vernetzte System-Qualität. Damit ein Zeitenwandel für die Verlage. Denn selbst wenn die online Traffic-Zahlen und die Reputation der Portale durch die Berichterstattung stark zunehmen – es wird sich auch wieder abschwächen – die Anzeigen-Umsätze werden nie mehr so hoch wie früher.
Was passiert jetzt?
Viele Experten schwanken einerseits zwischen konkreten Forderungen, was nun gegen Corona zu tun wäre, Beschuldigungen was doch alles von der Politik falsch gemacht wurde, etc. Und andererseits der unangreifbaren Position, dass man nicht wissen kann, man tun soll und was noch passiert.
Das ist richtig und falsch zu gleich. Denn es gibt Dinge, die, zumindest zeitlich, nicht bestimmbar sind. Auf der anderen Seite haben alle existierenden, und damit zumindest einigermaßen stabile, Systeme inhärente Grundpfeiler. Sonst würden sie gar nicht existieren! Beispielsweise hat der menschliche Organismus ein Immunsystem, das von außen attackierende Viren und Keime abwehrt. Ja sogar den gesamten Menschen für künftige Angriffe schützt und robust macht. D.h. nicht, dass jeder Mensch überlebt, aber die Menschheit weitestgehend gesichert. Paradox wirkt, dass das System fast immer robuster ist, wenn es in der Vergangenheit öfter angegriffen wurde und so die Messer zur Abwehr scharf geschliffen halten konnte.
Was bedeutet das für die Verlage?
Nun trifft ein Virus auf eine ungesunde Branche. Eine massive Existenz-Bedrohung. Die erste Frage die sich daher stellt ist, gibt es diese starken, überlebenswichtigen Grundpfeiler im Verlagswesen. Welche, die dem Sturm standhalten können? Darauf gleich die Antwort: Ja! Die Menschen brauchen Halt. Sie brauchen Informationen. Und zwar von gesicherten Stellen. D.h. Qualität und Reaktionszeit machen den Journalismus zum Fels in der Brandung. Darin steckt jedoch schon das „Aber“. Nicht jeder (Online-)Publisher, Zeitungen wie Zeitschriften, kann Qualität und Schnelligkeit gleichzeitig liefern. Nicht zu vergessen, nur wenige haben die Reputation, den Brand, die Information-Instanzen in und nach der Krise zu sein, um als erste Anlaufstelle für die Leser zu gelten.
Wer überlebt im Publishing-Markt?
Es wird nun noch schneller passieren, was sich andernfalls länger hingezogen hätte – wenngleich unvermeidbar. Ein beschleunigtes Sterben in der Verlags-Szene. Während wie meist in Krisen ca. 17% Gewinner sein werden, so gibt es tendenziell zwei Drittel oder mehr echte Verlierer.
Nun ist es systemisch aus meiner Sicht nahezu ausgemacht, wer überleben wird und wer gute Chancen hat, zu den Gewinnern zu zählen. Es gibt in reiferen Märkten immer eine Ausdifferenzierung in eine, wie ich es nenne, Gucci-Prada vs. Hit-Textil-Discount Systematik. D.h. der Mittelbauch verschwindet. Der kleine Konsument kauft beim teureren Dallmayr wie beim Aldi ein. Aber kaum bei einem Anbieter dazwischen. Zumindest nicht wenn besondere Kriterien anfallen, wie z.B. Standortvorteile.
Bezogen auf den Publisher-Markt bedeutet das, dass diese Badewannen-Kurve anzeigt, dass sich die Anzahl der Anbieter stark ausdünnen wird. An deren Rändern werden vorwiegend zwei Sorten von Verlagen übrig bleiben: die News-Engines und die Paid-Content-Publisher.
Was sind News-Engines?
Diese Publisher sind im wahrsten Sinne des Wortes „Maschinen“, denn dort arbeiten kaum mehr Menschen. Diese Technologie-getriebenen Portale kennzeichnen sich wie folgt:
- minimale Kosten-Struktur, da keine eigene Redaktion, sondern nicht selbst erstellte Inhalte nutzend – z.B. durch Content-Syndication
- maximale Technologie-Power im Bereich Maschine Learning/AI und Nutzer-Daten-Analyse bzw. -Einsatz
- automatisierte Vermarktung über Programmatic Advertising und Vermarktung durch externe Anbieter
- bestehende, breitenwirksame Marke als News-Portal
Ein Vertreter hier, der auch langfristig überleben wird ist MSN.de. Auch focus.de oder t-online.de haben hier Chancen, werden aber in einigen Jahren nicht wiederzuerkennen sein.
Paid-Content Publisher
Die zweite Sorte der Verlage, die überleben werden sind nummerisch die größere Zahl. Es sind die Print- und Online-Publisher, die Paid-Content in Form von Abos erfolgreich verkaufen. Dabei gilt, überleben wird nur, wer die Online-Abos für sog. Plus-Bezahl- Inhalte über die Jahre stetig steigern kann. Gelingen kann dies für Anbieter mit folgendem Setup:
- mit einer starke Marke, wie z.B. die Sueddeutsche, Zeit, Spiegel, Stern, etc.
- im Special-Interest Bereich heute schon bekannte Namen darstellen und nicht zu viel Wettbewerb haben in ihrer Niche
- Lokal-Zeitungen, die bei kritischer Leser-Masse im Einzugs-Bereich eine hohe Glaubwürdigkeit und Relevanz für die Bevölkerung außerhalb der Großstädte haben
- Publisher, die sich mehr mit eCommerce und Funnel-Management beschäftigen als mit der Vermarktung. Der Publisher muss vollständig das Geschäftsmodell zu einem Online-Abo-Shop mutieren lassen. D.h. mit allen KPIs, die den Verlagen bisher unbekannt sind und neue Tools und Prozess erfordert.
Der Mittelbauch hat´s schwer
Viele Verlage hatten in den letzten Jahren versucht neue Säulen aufzubauen, um die schwindenden Umsätze gegen kompensieren zu versuchen. Manche gerieren sich zusätzlich als Event-Veranstalter, was mit Corona nun auf der Kippe stehen wird – zumindest in naher Zukunft. Andere setzten auf Produkt-Shop-Angebote zu diversen Produkten, die auch eher schlecht als recht funktionieren.
Wie zum Paid-Content Anbieter werden?
Nun könnte ein Verleger in dieser Zwickmühle darauf kommen und einfach sagen:
ne, eine News-Schleuder will ich nicht sein, High-Tech ist nicht unser Ding, wir sind gestandene Journalisten und wollen immer Qualität liefern! Dann doch einfach Paid-Content…
Aber Achtung: einen Publisher erfolgreich zu einem Paid-Content-Anbieter zu machen, ist nicht trivial und auch nicht für jeden etwas. Sicher, wenn überhaupt eine Chance besteht, dann wohl für die meisten mit digitalen Plus-Abos. Damit ist weniger gemeint die Print-Version als ePaper zu vertickern. Das ist alter Hut, wenn auch für manche eine kleine Einkommens-Quelle.
Wie in dem Film „The Founder“ dem Gründer des McDonalds Imperiums Ray Kroc in einer Szene gesagt wird:
Sie sind mit McDonalds nicht im Burger-Geschäft, sondern im Immobilien-Business!“
So braucht es für die Paid-Publisher folgenden starken Mind-Change:
Publisher sind keine Plattform mehr für Anzeigen, sondern sie sind im Online-Marketing-Geschäft für digitale Assets.
Diese digitalen Assets als Paid-Content können nun ein Sammelsurium sein aus:
- Plus-Artikeln mit Paywalls für Premium-Inhalte
- ePaper
- Video- und Live-Kurse – ein noch unentdeckter Markt aus meiner Sicht für Verlage!!!
Was sollte ein Publisher können, was aber von externen Anbietern machen lassen?
Meiner Erfahrung nach gibt es bei den Verlagen eine Krankheit: sie wollen immer alles selber machen. Dabei kommt die Innovation fast immer von Startups. Doch wenn man alles zum meist x-fachen Preis selbst nachbaut, dann sind dies nicht nur unnötige Kosten, sondern untergräbt auch die Leistungsfähigkeit eines Startup-Eco-Systems.
Als Dozent an der TU München für Entrepreneurship und in meinem Münchner Gründer-Netzwerk kenne ich dutzende Startups, die für Verlage etwas machen wollten. Aber alle mir bekannten wenden sich ausnahmslos nach kurzer Zeit ab oder gehen unter, wenn sie zulange auf die „falsche“ Zielgruppe der Publisher vertraut haben.
Es gibt natürlich Gründe, warum Verlage wenige Dritte zulassen. Dennoch erscheint mir der Preis zu hoch, nur dann externe Anbieter hinzuzunehmen und zuzulassen, wenn es eh schon alle machen oder die Technologie so ausgereift ist wie bei Google. Ohne gesunde externe kleine und mittelgroße Anbieter, die davon gut leben können, um für Ihre Verlage da zu sein, wird Innovation und damit die Überlebensfähigkeit einer ganzen Brachen aufs Spiel gesetzt.
Meine Empfehlung an die Verlage ist, und das sage ich unabhängig als Vendor für Verlags-Software, dass sie einen Mindest-Prozentsatz des Jahres-Budgets in externe Startups investieren. Und zwar nicht als Finanz-Investoren oder mit wirkfreien Acceleratoren, sondern als echte und gut zahlende Kunden dieser kleinen Innovations-Schmieden.
Jede Wachstums-Industrie pflegt seine Gründer-Szene, indem sie zu nachhaltigen Kunden werden, Geduld und Konstruktivität aufbringen ohne Überlegenheits-Allüren. Denn:
Eine Industrie im Niedergang hat die selbstzerstörerische Eigenschaft, externe positive Kräfte nicht zu fördern und Chancen nicht mehr zu nutzen.
Fazit
Wer jetzt oder nach Corona eine News-Engine werden will, muss Geld investieren in AI-Developer-Profis. Diese kann man intern aufbauen, müssen aber von externen Beratern unterstützt werden. Die Inhalte müssen zwingend von Dritten zugekauft oder automatisch generiert werden – z.B. mit Roboter-Journalismus.
Diejenigen, die den Weg zu einem Paid-Content-Publisher gehen wollen, sollten sich Online-Marketing Experten von Aussen holen, die bisher größere Shops erfolgreich vorangebracht haben. Darunter Conversion-Specialists, SEA-Agenturen, Technologie-Anbieter für Paywalls, usw.
Mehr?
Wer Interesse an einem Austausch zum Thema hat, dem biete ich ein persönliche Gespräch an. Dazu einfach hier melden für einen Termin!
Bleiben Sie dran, es wird schwer, aber nicht unmöglich!
Chris Eberl – CEO & Founder kontextR GmbH
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